zum Thema Gewohnheiten

„Wir sind das, was wir wiederholt tun. Vorzüglichkeit ist daher keine Handlung, sondern eine Gewohnheit.“
– Aristoteles –

Lassen sich unerwünschte Gewohnheiten ändern?
Können gute Gewohnheiten trainiert werden?
Was versteht man eigentlich unter dem Begriff „Gewohnheit“?
Wie kann Corona mir dabei helfen das Thema Gewohnheiten endlich anzugehen?

Vor über 2.000 Jahren hat sich ein alter, weiser Mann bereits Gedanken zum Thema Gewohnheiten gemacht. Was man zur damaligen Zeit wohl als schlechte Tugend empfunden hat?
Eines ist klar: Seine Aussage hat an Aktualität nicht verloren. Die Qualität unseres Lebens scheint maßgeblich von der Qualität unserer Gewohnheiten abzuhängen. Zumindest deutet er einen gewissen Zusammenhang an.

Aber wie genau funktioniert das mit den Gewohnheiten?
Und wieso gibt man immer dem inneren Schweinehund die Schuld für missglückte Versuche genau hier anzusetzen?

Aristoteles behauptet weiterhin, dass 95% alle Dinge, die wir im Alltag tun ein Ergebnis unserer Gewohnheiten sind. Ganz schön wagemutig unser alter, weiser Mann.
Die gute Nachricht: Gewohnheiten sind kein Schicksal. Um sie kontrollieren und in andere Bahnen lenken zu können, müssen wir aber als erstes verstehen, wie sie funktionieren:

Eine Gewohnheit ist ein antrainierter Automatismus (Gedanken, Handlungen, Gefühle) den unser Gehirn in einem bestimmten Kontext immer wieder unbewusst aktiviert.

Eine bestimmte Handlung wird also in einem bestimmten Zusammenhang wiederholt bewusst durchgeführt. Wenn dabei bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wird diese Handlung mit der Zeit zu einem Automatismus – einer unbewussten Handlung.
Der Haken an der Nummer: Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen guten und schlechten Gewohnheiten. Das morgentliche Joggen, die 24-stündige Facebook-Aktivität, das Kaufen von Bio-Produkten, die Tüte Chips zum Prime Time Blockbuster – alles ein und das selbe Schema für unser Gehirn.

Charles Duhigg hat diesen Ablauf in vier Schritten zusammengefasst:

1. Auslöser: eine Gewohnheit wird durch einen bestimmten Ort, eine Uhrzeit, ein Gefühl oder ein Ereignis ausgelöst.

2. Handlung: das Ausführen der Handlung (Naschen, Rauchen, Fluchen, in der Nase Bohren etc.).

3. Belohnung: durch die Handlung kommt es zur Ausschüttung des Belohnungsbotenstoffs Dopamin. Das Vorhandensein einer Belohnung ist eine Grundvoraussetzung für die Entstehung einer Gewohnheit.

4. Routine: immer und immer und immer wieder ein uns dasselbe Verhalten durch ein und denselben Auslöser…

Unsere Gewohnheiten werden von sogenannten „Basalganglien“ gesteuert, eine Gruppe von „Hirnkernen“, die unterhalb der Großhirnrinde liegt und ebenfalls zum Großhirn gezählt wird, einem evolutionär alten Teil des Gehirns, der neben unserer Motorik auch für die Kontrolle von Herzschlag und Atmung zuständig ist. Diese Tatsache allein lässt schon erahnen, dass sich auch unsere Gewohnheiten nur schwer bewusst kontrollieren lassen.

Die Nuss knacken
Gewohnheiten sind tief in unserem Gehirn verankert und vieles davon läuft tagtäglich im Autopiloten-Modus ab. Der Arbeitsweg mit dem Auto ist ein gutes und sehr repräsentatives Beispiel dafür. Dass wir in der Lage sind zeitweise im Autopiloten-Modus zu agieren spart uns jede Menge Zeit und Energie. Man stelle sich vor jede Entscheidung wäre eine bewusste – der Tag hätte nicht genügend Stunden zur Verfügung, der Energie Kollaps für unser Hirn würde zum sofortigen Stromausfall führen. Festplatte voll, bitte löschen.

Wie schaffen wir es also das tägliche 15.00 Schokoladen-Date durch einen Spaziergang zu ersetzen oder das Prime Time Blockbuster Verhalten mit bewusstem Lesen zu ersetzen? Bei manchen Gewohnheiten hat man beinahe das Gefühl machtlos ausgeliefert zu sein. Wir lassen uns von Genuss und Bequemlichkeit regelrecht verführen. Dieser Schweinehund!

Tief verborgen in unserem Gehirn haften alte Strukturen, die eng mit Belohnung und Motivation verknüpft sind. Sie sind die Stimmen in unserem Kopf, die uns davon überzeugen wollen nur das zu nehmen, wonach es uns lüstet obwohl es mit unserem (eigentlichen) guten Vorsatz so gar nicht vertragen möchte. Lesen ist gut für die Tiefschlafphasen? Ein Glas Wein und ein Sex and the City Marathon ist (für heute) bestimmt auch hilfreich. Und wenn ich lange genug vor dem Fernseher sitze, dann wird das mit dem Einschlafen ja auch unweigerlich irgendwann…

Präfrontaler was?

Viele Namen, eine Location: Der Präfrontale Cortex ist Teil des Frontallappens und der Großhirnrinde und unsere Superkraft im Kampf gegen den Schweinehund! Dieser Bereich (blau markiert) ist für die Handlungssteuerung und Regulation zuständig – Sitz unseres Bewusstseins und, jetzt kommt´ s: steht in korrelativem Zusammenhang mit der Integration von Gedächtnisinhalten und emotionalen Bewertungen. Bedeutet: Hirnaktivität ist gleich Handlungsplanung. Alles, was sich hier abspielt ist eine Bedingung für situationsangemessene Handlungssteuerung und Regulation emotionaler Prozesse.
Dieses Zauberwerk der Natur hilft uns dabei Impulse des Schweinehundes zu unterdrücken, „vernünftige“ Entscheidungen zu treffen und bewusst „NEIN!“ zu sagen.
Klingt einfach, oder? – Die alten Strukturen können fies sein. Mächtig, schurkenhaft und einfach nur frustrierend, ich weiss.

Hier also ein Guide für mehr Vernunft und weniger Schweinehund:

„Gewohnheiten sind kein Schicksal.“

1) Die Routine identifizieren
= die unerwünschte Handlung, die man zukünftig einstellen möchte.

Schokolade zum Frühstück
Instagram-„Sucht“
Langschläfer-Dasein
Online Shopping
Junk Food Orgien abends vor dem Fernseher

2) Der Belohnung auf die Spur kommen
WIFY? What´s in it for you?
Weiter oben haben wir bereits herausgefunden: Irgendwo tief in unserer Festplatte regieren alte Strukturen, die eng mit Belohnung und Motivation verknüpft sind. Und genau DAS wollen wir für uns nutzen!
Schokolade zum Frühstück? Wo versteckt sich die Belohnung?
Langeweile? Zucker-Sucht?
Bei manchen Themen ist es einfach hinter die Kulissen zu blicken, bei anderen Dingen muss man schon ein wenig genauer hinsehen oder ein paar Experimente anstossen: Wie kann ich der Langeweile lange Beine machen? Ein Spaziergang immer dann, wenn ich daran denke Schokolade zu essen? Ein Glas Wasser vielleicht? Das kneten eines Antistress-Balls? Welche Form der Ablenkung verschafft mir gleichermaßen Befriedigung?

3) Den Auslöser ausfindig machen
Charles Duhigg erklärt, dass zwar alles Mögliche als Auslöser in Frage kommen kann, fünf typische „Klassiker“ aber fast immer zur Erklärung herangezogen werden können:

Eine bestimmte Tages- oder Uhrzeit
Ein bestimmter Standort
Ein bestimmter emotionaler Zustand
Die Anwesenheit von bestimmten anderen Menschen
Die unmittelbar vorangegangene Handlung

Um dem Auslöser auf die Spur zu kommen, legt man Stift und Papier bereit: Bei jedem Auftreten der unerwünschten Routine notiert man die fünf oben genannten Faktoren. Wenn man einige Datensätze gesammelt hat, vergleicht man diese und sucht nach einem Muster: Welche der Bedingungen ist gleichbleibend?

4) Einen Schlachtplan erstellen
Um die unliebsame Handlung zu unterbinden, muss nun bei jedem Auftreten des Auslösers gezielt eine alternative Handlung ausgeführt werden. Mit anderen Worten: Man muss sich eine neue Gewohnheit antrainieren. Eine, die bereit ist, die alte Gewohnheit auf lange Sicht zu ersetzen.

Eine Gewohnheit kann man nicht einfach aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe herunter boxen: Stufe für Stufe.“

Bislang nahm man an, dass das Schaffen einer neuen Gewohnheit rund 30 Tage dauert. Phillippa Lally behauptet 2009, dass 66 Tage von Nöten seien, um eine neue Gewohnheit zu „schaffen“. Wohlgemerkt geht es hier um das Schaffen einer neuen Gewohnheit und nicht um das Ab/verändern einer bereits bestehenden. Das ist ein feiner, aber entscheidender Unterschied.
Eine Faustformel im Profisport besagt, dass es in etwa 10-mal so lange dauert, eine falsch gelernte Bewegung zu korrigieren, als es gedauert hätte, die selbe Bewegung von Beginn an richtig zu (er)lernen.
Zu guter letzt darf man nicht davon ausgehen, dass es sich bei diesen Annahmen um ein in Stein gemeisseltes Gesetzt handelt. Tatsächlich kann sich eine solche Verhaltensänderung fast augenblicklich modellieren lassen – durch Hypnose oder einen Paradigmenwechsel zum Beispiel.

Dein WIFY des Tages

Lock Down. Quarantäne. Wellenbrecher. Krise. Chance.
Die letzten Wochen und Monate waren ein beständiges Auf und Ab. Gefühlt mehr Ab als Auf. Da dachte man erst vor kurzem noch: „Jetzt ist sie zurück die Lebensqualität“ und dann das – ein „Wellenbrecher“ = Soft Lockdown = Der selbe Scheiss, nur anders verpackt.

Die vermehrte Zeit, die ich nun Zuhause verbringe (schon wieder) mit meinem Partner, der von Haus aus (was für ein Wortwitz) von Zuhause aus arbeitet, haben mir ein mal mehr bewusst gemacht: Ich bin voller Macken und Kanten und schlechter Gewonheiten, die sich durch meine „Quarantäne-Zeit“ irgendwie zu vermehren scheinen. Wie Pilze spriesst es aus allen Ecken: Notorische Unordnung, schlechtes bis gar kein Frühstück, Überkompensation der abendlichen Schokoladen-Orgien durch exzessives Jogging, das mich schon beim letzten Lock Down einen Großteil meiner Rückenqualität gekostet hat. Ich entdecke ein Muster – schon wieder. Nur dieses Mal bestimme ich wo es lang geht!

Und ich habe (endlich/schon wieder 😉 die Zeit genauer hinzusehen und langfristig neue Verhalten zu testen und zu trainieren.
Treppenboxen! Präfrontal und ohne Schweinehund!

Hast du auch Rückfälle in alte Muster bei dir entdeckt? Welche hartnäckigen Gewohnheiten möchtest du durch neue ersetzen?
Es klappt nicht beim ersten Mal? Gar kein Problem! Ein Rückfall ist eine wertvolle Chance mehr über dich selbst zu erfahren. Welche Muster stecken hinter deinen Gewohnheiten? Was oder wer kann dich dabei unterstützen in Aktion zu treten? Was hast du davon immer wieder in alte Muster „zurückzufallen“?

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